Donnerstag, 5. August 2010

Julia in Togo

Nun bin ich schon seit über einer Woche aus Togo zurück, wo ich zweieinhalb Monate ein „Development Internship“ in der NGO „Jeunes Volontaires pour l’Environnement“ (www.ong-jve.org; übersetzt: Junge Freiwillige für die Umwelt).
Seit einem halbjährigen Aufenthalt in Indien wurde der Wunsch in mir immer größer, ein solches Praktikum während meines Studiums zu absolvieren, wobei ich unbedingt in ein französischsprachiges afrikanisches Land wollte – und so fiel meine Wahl auf Togo.
Das war wirklich eine gute Wahl, Land und Leute haben mir echt sehr gut gefallen, deshalb werde ich zunächst ein bisschen darüber schreiben. Die Menschen dort leben in teilweise einfachsten Verhältnissen und sind trotzdem oftmals wesentlich herzlicher, fröhlicher und besitzen ein großes Durchhaltevermögen, da es in Togo auch kein wirkliches Sozialsystem gibt. Auch bei der Gastfreundschaft können wir Deutsche uns noch einiges abgucken, so hat z.B. zwei Wochenenden eine Arbeitskollegin ihr Zimmer für mich geräumt und mich in ihrer Familie aufgenommen.
In Togo ist Musik überall präsent, es werden Lautsprecher von Bars / Geschäften auf höchste Stufe eingestellt und die Leute singen und vor allem tanzen auch sehr gerne sowohl zu traditioneller als auch zu moderner Musik.
Was ich etwas verwirrend fand, die Togolesen fragen gerne, ob man sie mit nach Deutschland nehmen kann. Auch nachdem ich ihnen erklärt habe, dass dort auch nicht alles toll ist und es auch Probleme gibt, wollen vor allem die jungen gut ausgebildeten Einheimischen nach Europa / USA.
Dies hängt mit der Politik des Landes zusammen. Es gibt zwar Rohstoffe und somit Geld, aber davon profitieren leider nur die Regierungskreise. Seit 2005 regiert Faure Gnassingbe, der Sohn des vorherigen Präsidenten, welcher 40 Jahre regiert hat. Auch die Wahl im Februar 2010 hat Faure „gewonnen“, wobei die Ergebnisse fragwürdig sind. Mit Faure ist die Situation im Land eher noch schlimmer geworden, da die Regierung alle Gewinne in die eigene Tasche steckt und das Volk nichts abbekommt.
Die Togolesen sind nicht zufrieden mit der aktuellen politischen Situation, haben aber leider größtenteils resigniert, da es auch unterschiedliche Stämme / Sprachen gibt und somit keine gemeinsame große Opposition da ist. Jedoch habe ich z.B. mehrere Streiks der Taxifahrer in Folge einer weiteren Erhöhung der Steuern auf Benzin mitbekommen, die allerdings leider nichts bewirkt haben, da die Angst vor dem Militär doch zu groß ist. Auch gibt es seit der letzten Wahl jeden Samstag Demonstrationen einer Oppositionspartei durch ganz Lomé.
Nun noch zur Arbeit, die NGO JVE hat viele sehr interessante Projekte, die sie größtenteils auch erfolgreich durchführt, z. B. Ersetzen von Petroleum- durch Solarlampen, Aufforstung ganzer Wälder, Verbreitung von Solarkochern, Desinfektion von Wasser durch Sonnenstrahlung, Finanzsystem AVE&C usw. Der Hauptsitz der NGO ist in der Hauptstadt Togos, Lomé (im Süden des Landes direkt am Meer und der Grenze zu Ghana gelegen, ca. 1 Mio. Einwohner), wo ich ca. 3 Wochen und fast alle Wochenenden verbracht habe. Es gibt landesweit Niederlassungen und 2 größere Zweigstellen, Tsiko und Vogan. Da die Solarlampen und –kocher-Projekte, welche mich am meisten interessiert haben, hauptsächlich in den Dörfern rund um Vogan (ca. 30.000 Einwohner, 50 km von Lomé entfernt Richtung Nordosten, großer Voodoomarkt) durchgeführt werden, habe ich 8 Wochen dort gearbeitet, was auch eine sehr interessante Erfahrung war, nicht nur die „entwickelte“ Hauptstadt des Landes kennenzulernen. Hauptsächlich Frauen haben sich in den Dörfern zu sog. „Groupements“ organisiert (ca. 15-20 Frauen), wo sie zusammen ein ausgeklügeltes Finanzsystem (AVE&C) zum Sparen und sich gegenseitig Kredite geben implementieren, alles mit Unterstützung von JVE. Dadurch können die Frauen sich kleine Unterhaltsquellen aufbauen (z. B. Einkauf von geräuchertem Fisch und Verkauf auf dem Großmarkt) und schließlich auch die Solarlampen damit bezahlen. JVE besucht jedes Groupement zwei Mal monatlich, um den Frauen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen was das Finanzsystem angeht oder ihnen die Solarlampen / -kocher zu erklären. Diese Besuche in den Dörfern waren mit am beeindruckendsten, mit dem Motorrad bis zu 20 km über schmale Feldwege durch Mais- und Palmenanpflanzungen, bis man in einem Dorf angekommen ist, wo die Zeit stehen geblieben sein scheint. Leider gibt es in vielen dieser Dörfer keine Schulen, sodass der Großteil der Landbevölkerung kein Französisch, sondern die einheimische Sprache im Süden Togos, das Éwé, spricht. Deshalb war es schwierig für mich direkt mit den Frauen zusammenzuarbeiten. Da ich möglichst viel für JVE beitragen wollte, entschied ich mich die Sensibilisierung der Bevölkerung für die einzelnen Projekte der NGO durch Fundraising und das Entwerfen von Flyern / Plakaten und sogar eines Videos zu unterstützen. Da die Uhren in Afrika doch noch etwas langsamer ticken, war ich am Ende nicht ganz zufrieden mit meiner Arbeit, jedoch war die Stimmung unter den Kollegen immer herzerfrischend fröhlich, was das alles mehr als wett gemacht hat.
Einiges aus Togo vermisse ich bereits, jedoch bin ich auch froh um eine ordentliche Dusche hier in Deutschland (kein Eimer mehr ;-), das gute Essen hier (abwechslungsreich!!!), ein bisschen Privatsphäre (in Togo gibt es NUR dünne Wände...) und Wasser wieder aus Flaschen und nicht aus Plastiktüten zu trinken!!! :-)
Es war trotz allem eine tolle Erfahrung und ich könnte noch ewig hier weiterschreiben aber irgendwann ist es genug ;-) Ich hoffe es war interessant für euch!
Wenn ihr aber noch Fragen zu Togo habt, könnt ihr mich gerne kontaktieren!
Liebe Grüße,

Julia

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